DWIH Moskau: Wichtige Kontaktstelle, auch in Kriegszeiten

Roter Platz in Moskau © picture alliance/pressefoto_korb

Mit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 hat das DWIH Moskau jegliche Zusammenarbeit mit russischen Institutionen gestoppt. Dennoch leistet es vor Ort nach wie vor wichtige Netzwerkarbeit.

Ende November 2021, wenige Monate vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, veranstaltete das DWIH Moskau einen großen, zweitägigen Kongress zum Thema „Nachhaltige Mobilität und Stadtplanung“. „Ich erinnere mich noch sehr gut an die Veranstaltung“, erzählt Dr. Andreas Hoeschen, Direktor des DWIH Moskau. „Es war das zweite Deutsch-Russische Science Forum in diesem Jahr und das erste, das nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie wieder fast vollständig in Präsenz stattfinden konnte.“

Forscherinnen und Forscher aus beiden Ländern kamen zusammen und tauschten sich über konkrete Lösungsansätze zur Bekämpfung des Klimawandels aus. Wie in all den Jahren seines Bestehens seit 2009 schaffte es das DWIH auch in diesem Fall, wichtige Akteure aus Russland und Deutschland zusammenzubringen und Kooperationen anzubahnen. „Für uns war das ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche deutsch-russische Zusammenarbeit. Es war schön zu sehen, dass man im Klimaschutz offenbar an einem Strang zieht und voneinander lernen will“, so Hoeschen.

Stopp der institutionellen Zusammenarbeit

Für den Leiter des DWIH Moskau ist eine solche Rückschau wichtig. Gerade weil sich die Lage nach dem 24. Februar 2022 natürlich grundlegend geändert hat. Da der DAAD wie alle anderen deutschen Wissenschaftsorganisationen die institutionelle Zusammenarbeit mit Russland gestoppt hat, geht auch das DWIH Moskau seiner vorrangigen Tätigkeit, der Anbahnung von institutionellen Kooperationen, seitdem nicht mehr nach. Aus seinem Unterstützernetzwerk ist lediglich noch das Deutsche Historische Institut in Russland vertreten. Alle anderen Unterstützer operieren von Deutschland aus. Regelmäßige Netzwerktreffen unter Leitung des DWIH Moskau finden zwar nach wie vor statt. „Diese sind unter den gegebenen Bedingungen besonders wichtig, da sich für die Unterstützer auch der Informationsaustausch mit der Wissenschaft in Russland deutlich verringert hat. Das Teilen des verfügbaren Wissens und das gemeinsame Bewerten der Lage im Land hat eine ganz neue Bedeutung gewonnen“, sagt Andreas Hoeschen.

Andreas Hoeschen
Andreas Hoeschen: individuellen Austausch weiterhin ermöglichen

Dafür leiste das DWIH Moskau vor allem aber auch durch seine individuelle Kontaktarbeit vor Ort etwas, wie Hoeschen betont: „Vonseiten einzelner russischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht nach wie vor ein großes Interesse, mit uns vor Ort in Kontakt zu treten. Sie können auch weiterhin mit DAAD-Förderung in Deutschland forschen. Diese Möglichkeit sollten wir ihnen unbedingt geben.“ Im Bereich Klimaschutz bestehe ein inzwischen so enges Netzwerk an interdisziplinären Kontakten in die russische Wissenschaft, dass es laut Hoeschen durchaus angemessen und klug ist, den individuellen Austausch auch weiterhin zu ermöglichen.

Neben dem Themenfeld Mobilität und Stadtentwicklung war auch die Arktisforschung in den letzten Jahren ein wichtiges deutsch-russisches Kooperationsfeld mit einem großen, gemeinsamen Innovationspotenzial. Im Rahmen der Deutschen Woche im April 2021 in St. Petersburg tauschten sich russische und deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der bislang größten wissenschaftlichen Arktisexpedition MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) aus (Foto oben). Bis heute gilt die Expedition nicht nur als Meilenstein in der Klimaforschung, sondern auch in der internationalen Forschungszusammenarbeit. „Auch wenn wir aktuell keine konkreten Kooperationen angehen können, liegt es auf der Hand, dass, sobald die Bedingungen dafür wieder herrschen, der Klimaschutz eines der zentralen Themen gemeinsamer interdisziplinärer Zusammenarbeit sein wird.“

Bereitschaft zur individuellen Kontaktarbeit

Mit seiner Bereitschaft zur individuellen, zivilgesellschaftlichen Kontaktarbeit leistet das DWIH Moskau einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf die Zukunft, in der vielleicht irgendwann die institutionelle, akademische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland wieder aufgenommen werden kann. „Ich versuche gar nicht zu spekulieren, wann eine erneute Annäherung auf wissenschaftspolitischer Ebene möglich sein wird und welche konkreten Bedingungen dann dafür herrschen werden“, so Hoeschen. „Aber in einer Hinsicht kann man jetzt schon eine Aussage treffen: Es wird nur dann möglich sein, Fäden wieder aufzunehmen, wenn weiterhin Kontakte bestehen zu Menschen, zu Einzelpersonen, die an einem echten Austausch interessiert sind.“

Klaus Lüber